Hochzeit mit Assistenz in Hildesheim Eine ganz normale Trauung unter außergewöhnlichen Vorzeichen: Bewohnerin und Bewohner der Diakonie Himmelsthür haben sich das Ja-Wort gegeben

Vor dem Rathaus in Hildesheim stehen 40 Menschen mit roten Luftballons und applaudieren. Auf dem Platz vor ihnen schneidet ein Paar ein Herz in ein riesiges Banner mit der Aufschrift „Wir gratulieren Flo & Steffi“. Sichtlich nervös bewältigen Braut und Bräutigam einen Parcours von Hochzeitstraditionen auf dem Marktplatz: Die Braut wirft einen Blumenstrauß, zu zweit zersägt das Paar einen Baumstamm, macht unzählige Fotos und lässt sich von Freundinnen, Freunden und Familienmitgliedern beglückwünschen.

Eine der Gratulantinnen und Gratulanten ist Tanja Schulz, pädagogische Assistenz der Braut Stephanie Heßeln, geboren Czwalinna. Schulz ist Mitarbeiterin in der Diakonie Himmelsthür. Im Urbanen Wohnen unterstützt sie Menschen mit Behinderung im Alltag, organisiert Einkäufe oder hilft bei Arztbesuchen. Sie kennt das Paar Florian und Stephanie Heßeln schon seit Jahren.

Stephanie Heßeln ist gerade 30 geworden. Im jungen Erwachsenenalter zog sie wie die meisten jungen Menschen von zuhause aus und kam in die Diakonie Himmelsthür. Dort ist es ihr möglich, eigenständig zu wohnen und gleichzeitig Begleitung im Alltag zu bekommen, wo sie nötig ist. Im Jahr 2016 lernte Stephanie Florian während ihrer Arbeit in der Lebenshilfe kennen, wo beide fortgeschrittene Tätigkeiten übernahmen.

Ganz klassisch habe der junge Mann um ihre Handynummer gebeten. Und ganz klassisch habe sie ihn erstmal ignoriert, erzählt Tanja Schulz lachend. Doch bald seien sie miteinander ausgegangen. Im vergangenen Jahr habe Florian Heßeln dann einen Ring besorgt und sei im Mai 2019 bei einem Familientreffen auf die Knie gefallen, um Stephanie einen Antrag zu machen, den sie  begeistert annahm.

„Das ist in unserem Bereich wirklich etwas sehr Besonderes“, sagt Tanja Schulz. „In den letzten 20 Jahren haben nur etwa drei Bewohnerinnen und Bewohner der Diakonie Himmelsthür in Hildesheim geheiratet.“ Nach dem Gesetz steht es zwar jedem volljährigen Menschen frei zu heiraten, „doch vor allem bei klassisch behinderten Menschen kommt der Wunsch selten auf“, sagt Schulz. Außerdem komme hinzu, dass die Familien als gesetzliche Betreuung ein Mitspracherecht haben.

Eigentlich sollte die Hochzeit im Mai stattfinden. Die Einladungen waren bereits verschickt, eine standesamtliche und eine kirchliche Trauung plus Feier im Festaal der Diakonie waren geplant. Das hätten die Assistentinnen gerne organisiert. Wegen Corona wurde der Termin verschoben, doch jetzt entschied das Paar, dass es nicht länger warten wollte. Warum sie heiraten? „Weil wir uns so lieben“, betont Stephanie in ihrem Brautkleid mit viel Tüll und langem weißen Rock. Warum auch sonst? Bereits seit August leben sie zusammen in einer neuen Wohnung der Diakonie Himmelsthür. Die kirchliche Trauung und eine große Feier sollen im nächsten Jahr nachgeholt werden.

So konnten Freund, Freundinnen und Angehörige dem frisch vermählten Paar nur auf dem Marktplatz gratulieren. Anschließend fuhren Stephanie und Florian Heßeln zur Mutter der Braut und feierten im kleinen familiären Rahmen. „Die Hochzeit fühlt sich gut und richtig an“, freut sich Tanja Schulz mit den frisch Vermählten. „Die Chancen sind genauso groß, dass die Ehe funktioniert, wie bei allen anderen Menschen auch. Es ist tatsächlich alles relativ normal.

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Ute QuednowUnternehmenssprecherin

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